Muss ich das im Sitzen machen oder geht es auch in Bewegung?

Prof. Christian Andrä empfiehlt Lehrkräften, sich zu fragen „Muss ich das im Sitzen machen oder geht es auch in Bewegung? Kann ich an einen anderen Ort gehen? Welche Bewegungen kann ich für Antwort-Optionen nutzen? Was er damit meint, erklärt er an einem typischen Beispiel aus dem Deutschunterricht in der Grundschule.

Die Lehrkraft liest Wörter vor. Die Kinder stehen auf, wenn ein Wort großgeschrieben wird, und setzen sich, wenn es klein geschrieben wird (dynamischere Variante: hochspringen und hinhocken). Oder man betont Silben. Wird ein Wort hinten betont, lehnt man sich nach hinten, wird es vorne betont, dann lehnt man sich nach vorne (sportlichere Variante: vor- und zurückhüpfen).

Auch komplexe Inhalte in Bewegung darstellen

Schüler*innen der weiterführenden Schule können die Zeitformen in Bewegung üben. Beim Futur gehen sie nach vorne, beim Präsens drehen sie sich auf der Stelle um die eigene Achse, bei Vergangenheitsformen geht es rückwärts (Präteritum Schritt nach hinten, Perfekt Ausfallschritt nach hinten und Plusquamperfekt Sprung nach hinten).

„Das funktioniert in jedem Schulfach“, betont Andrä. Man geht raus aus dem Frontalunterricht und kommt in Bewegung. In vielen Fächern kann man eine Systematik am eigenen Körper erleben. Vielleicht läuft ein Elektron von A nach B oder eine Kommunikation zwischen Sender und Empfänger wird gestört, so dass derjenige, der die „Kommunikation“ abbildet, die Störung umgehen muss. Oder man läuft die Wege auf einer Karte ab, die auf dem Schulhof aufgemalt ist.

Wir brauchen multisensorisches Lernen in der Schule

Bei dieser Art des Lernens werden die Inhalte schneller gelernt und länger behalten. Dazu macht es noch Spaß und ist gut für die Gesundheit. „Unser Unterricht ist klassisch audio-visuell ausgerichtet. Dabei ist es klar bewiesen, dass multisensorisches Lernen besser ist, weil Inhalte in verschiedenen Bereichen des Gehirns abgelegt werden“, so Andrä. „Schließlich lernen wir mit dem ganzen Körper und bestehen nicht nur aus unserem Kopf.“

„Man muss sich als Lehrkraft überlegen, was man braucht – Hörverstehen, Betonung, Wortschatz usw. – dann kann man Positionen mit dem Körper einnehmen.“ Jeder sollte sich fragen: Was kann ich mit dem Körper alles machen? Wir können Dinge anfassen (Haptik), aber auch Langsamkeit und Schnelligkeit erfahren, Gewicht spüren oder fühlen, wie sich Muskeln zusammenziehen und Gelenke drehen.

Einfach und oft ohne Material

„Wenn ich das Konzept des Bewegten Lernens in der Lehrer*innenausbildung/-fortbildung vorstelle, dann gibt das immer positive Resonanz, weil es so einfach geht und oft auch ohne Material“, sagt Andrä. Da kann man seiner Fantasie freien Lauf lassen. Ob man Silben hüpft, ein Bewegungsmemory verwendet oder Parabeln mit dem eigenen Körper darstellt.  Also: Mut zur Bewegung! Einfach mal ausprobieren…

Marika Muster

 

Prof. Dr. Christian Andrä studierte Sportwissenschaft und Erziehungswissenschaft und promovierte zum Thema „Bewegte Schule“. Er arbeitete in der Lehramtsausbildung an der Universität Leipzig und übernahm nacheinander die beiden Vertretungsprofessuren für Gesundheitsbildung/Gesundheitserziehung und Sportdidaktik an der Universität Potsdam. Derzeit ist er Professor für Bewegungs- und Sportpädagogik an der Fachhochschule für Sport und Management Potsdam und berät und begleitet Kindertagesstätten und Schulen mit Fokus auf der allgemeinen Bewegungsförderung und der Förderung qualitativer Lehr- und Lernprozesse liegt. Er ist Mitglied der Forschungsgruppe „Bewegte Schule in Sachsen“.

 

Mehr zum Thema „Bewegtes Lernen“ finden Sie hier:

Prof. Andrä – Youtube-Kanal Bewegtes Lernen